Wort zum Tage – Worte auf den Weg / RBB 8. August – 13. August 2005
Das neue Schuljahr hat begonnen und wieder stehen die Schulen unter dem Schatten dieses irrwitzigen Strebertums, das vom Stichwort PISA ausgelöst wurde, oder sollen wir sagen, die Schulen „ge-pisa-ckt“ werden, als stünde das Heil der Nation auf dem Spiel, als wäre das Ende der Arbeitslosigkeit davon zu erhoffen. Ein ehrgeizig Zappelnder sprach von der „Champions League“ der Bildung, in der die Bayern spielen.
„Bildung“ ist ein 200 Jahre altes Wort, Bildung möchte mitarbeiten an der Entfaltung des Menschen zu einem ebenso tüchtigen wie glücklichen Menschen. Diese Balance von tüchtig und glücklich ist völlig dahin. Die Rede ist von mehr Elite, mehr Wachstum, mehr Ertrag. Am wichtigsten sind die Gymnasiasten, dann die Grundschüler, dann die Kleinen im Kindergarten. Diese alleinige Ausrichtung an prüf- und verwertbaren Kenntnissen ist so fürchterlich wie das Karrierewort der neuesten Debatte, die „standards“, die es zu erreichen gilt.
Dieses System produziert Verlierer in großer Zahl! Da können viele 14jährige ihre Zukunft abschreiben – Kreisklasse gegen Champions League…Wenn die Schule ihre Aufgaben erfüllen will im Sinne einer Menschenbildung, braucht sie nicht nur gute Lehrkräfte, sondern auch Betreuung am Nachmittag in lebensförderlichen Räumen, sie braucht nicht nur kleine Klassen, sondern auch Raum und Zeit für individuelle Hilfe, für Enthusiasmus, sie braucht nicht nur Geld, sondern auch Freude. Heranwachsende brauchen nichts dringender als Menschen, die sich ihnen zeigen, deren Gesicht erkennbar wird. Lehren und unterrichten heißt, zeigen, was man liebt( Steffensky). So können Heranwachsende lernen, dass man überhaupt etwas lieben kann und für etwas stehen kann, und nicht zu Gewalt als zwanghafter Selbstbestätigung greifen muss. Aus der Bibel kann man dieses Andere lernen: Nämlich dass das Leben kostbar ist, dass es sich lohnt, von der Gerechtigkeit zu träumen. Es ist nicht selbstverständlich, dass der Arme nicht Beute des Reichen wird, es ist nicht selbstverständlich, dass die Frau nicht Beute des Mannes wird, der Schwarze nicht Beute des Weißen wird. Träume von der Gerechtigkeit die sind nicht selbstverständlich, die liegen nicht schon immer naturhaft in uns, wir müssen sie lernen und zusammen erkennen, auch in der Schule. Was geschieht mit der Schule, wenn wir in ihr nicht mehr die Hoffnung und das Recht lieben lernen, und das möglichst früh, sehr früh? Das kann geschehen, wenn wir die alten großen Bilder und Erzählungen aus der Bibel von der Rettung des Lebens und der Welt nicht verraten und verschweigen. Dazu müssen wir sie erst selbst wieder lernen…und Pisa können wir vergessen!