In der französischen Revolution waren die Begriffe „Freiheit“ und „Gleichheit“ unumstritten; „liberte“ und egalite“; sie sollten den Umsturz klar benennen. Dagegen war die „Brüderlichkeit“, „die fratenite“, umstritten, sie lässt sich schwer in „Gesetze“ fassen. Der linke Flügel der Revolution trug sie vor, der rechte bestand auf „propriete“, dem Recht auf Besitz.- Dazu eine Erzählung vom Amsterdamer Kollegen Huub Oosterhuis: „Ein Mann hatte zwei Söhne. Als er starb, bekamen beide die Hälfte des Landes. Ein Sohn war reich und hatte keine Kinder, der andere hatte 7 Kinder und war arm. In der Nacht konnte der reiche Sohn nicht schlafen; ‚Mein Vater hat sich geirrt, dachte er. Mein Bruder ist arm und hat kein Land für so viele Kinder. Und er stand auf, rechtzeitig die Grenzpfähle zu versetzen… Auch der arme Sohn lag wach und dachte: Mein Vater hat sich geirrt; ich habe sieben Kinder, mein Bruder aber ist einsam – und er stand auf, um noch vor dem Morgengrauen die Grenzpfähle zu versetzen. Als der Tag anbrach, begegneten sie einander. Ich sage euch, an dieser Stelle wird die Stadt des Friedens entstehen. Gott, der uns alle geschaffen hat, lasse Brüderlichkeit und Schwesterlichkeit leben zwischen denen, die sich gut kennen und denen, die sich zu gut kennen. Lass uns Geschwister werden, was hat die Gesellschaft nötiger?
Quelle: Huub Oosterhuis, Du bist der Atem und die Glut, Herder, Freiburg 1995 (4)