Zu Ehren der Heiligen Elisabeth von Thüringen wird bei uns eine 10 Euro-Gedenkmünze geprägt, deren Randinschrift lautet: „Wir sollen die Menschen froh machen“, ein gutes Motto für den Umgang mit unserem Geld und jedem anderen Reichtum. Elisabeth wird als mildtätige und barmherzige Frau beschrieben, aber das heißt nicht, dass sie weichherzig, willfährig und leicht beeinflussbar war. Ein Freund bestand im Gespräch mit mir sogar darauf, dass sie zielstrebig agiert habe, entschlossen und willensstark gewesen sei – nur die Selbstheiligung, zum Beispiel im Abbruch der familiären Beziehungen und in den Bußübungen sei befremdlich und unevangelisch; die Nachfolge Christi geschehe in den familiären, beruflichen und globalen Herausforderungen. Ich will eine Erzählung an den Schluss dieser Woche stellen, die das Leben der Heiligen als „heilig“ erweist, als rahmensprengend, widerständig, als Tagtraum von einem Leben im Reich Gottes:
Monat: August 2007
Das Wort – Freitag, 24. August
„Wir müssen die Menschen so glücklich machen, wie wir nur können“ – das war Elisabeths Ziel. Doch vieles in ihrem Leben schien dem zu widersprechen. Sie wusch eitrige Bettler und trocknete sie ab, da wirkt sie weich auf uns; dann lässt sie einem jungen Mädchen trotz allen Flehens die schönen Haare abschneiden, da wirkt sie hart auf uns. Sie lebt im Schuppen eines Gastwirts zwischen Geräten und Viehtrögen ohne Schutz vor winterlicher Kälte; sie feiert ein überschwängliches Fest mit Kranken und Bettlern und lässt 500 Silbertaler unter sie verteilen. Und wir fragen: Kann man eine fürstliche Schwester der Aussätzigen sein? Oder ist sie eine Wahnwitzige, die das Unmögliche der vollkommenen Armut mit den Armen will? Sie geißelte sich, sie unterbrach ihren Schlaf, lud sich verkrüppelte Kinder auf, unterwirft sich einem rabiaten Beichtvater. „Gott ist mein Zeuge“, sagt sie. „dass ich meine Kinder nicht pflege, sondern die fremden Nächsten. Denn die hat mir Gott übergeben.“ – wir haben es schwer mit ihr, wenn wir die Ranken der Legende um sie herum ein wenig zur Seite biegen.
Das Wort – Donnerstag, 23. August
Es war ein denkwürdiges Schauspiel Ende Juni in Gotha: Da wurde um 12.00 mittags eine 110 Meter lange Tischreihe vom Rathaus aus durch die Innenstadt bis zum Hospital im Brühl gedeckt. Jeder war zum Mittagessen eingeladen. Es war eine von katholischen und evangelischen Gemeinden vorbereitete Erinnerung an Elisabeth von Thüringen, die vor 800 Jahren ihr Leben in den Dienst der Barmherzigkeit gegenüber den Armen gestellt hatte. Der Ehemann Elisabeths hatte der Stadt Gotha ein Armenhospital geschenkt – heute können wir hier an einem langen Tisch gemeinsam Mahl halten und für eine Mittagsstunde die Hoffnung auf ein Leben ohne Hunger festhalten. Und weil die Hoffnung Feinde hat, nämlich die Niederlagen, die uns das Leben zufügt, brauchen wir Zeugen für diese Hoffnung. Wir erinnern uns der Menschen, in deren Leben nicht Verrat, Niederlage und Schwäche über die Hoffnung triumphiert haben.
Das Wort – Mittwoch, 22. August
Einer Heiligen, Elisabeth von Thüringen, wollen wir diese Morgengedanken widmen. Was sind „Heilige“? Es sind Menschen, deren Würde in ihrer Unbescheidenheit liegt. Sie sagen nicht nur, was man sagen kann; sie erhoffen sich nur, was man hoffen kann – sie greifen aus bis weit in das Land des Gelingens. Sie sind Menschen mit einer großen Sehnsucht. Bei den Heiligen der Bibel überschlagen sich die Bildern der Unmöglichkeiten: die Steppe wird blühen, die Tauben werden hören, die Stummen sprechen und so fort…
Das Wort – Dienstag, 21. August
Ein Rabbi, ein jüdischer Bibelgelehrter, wurde gefragt: „Stell dir vor, das Haus brennt und du könntest nur eine einzige Sache retten. Was würdest du retten?“. Er antwortete: „Das Feuer“.
Das Feuer? Nicht die Ausweise, Unterlagen, Versicherungspolicen? „Das Feuer“? Eine zündende Antwort, und nach weiterem Nachfragen, ich bin mir sicher, hätte er gesagt: „Es gibt in der Bibel beim Propheten Jeremia die Frage Gottes: Ist nicht so mein Wort: wie ein Feuer und wie ein Hammer, der Felsen zerschlägt?“
Das Wort – Montag, 20. August
Heilige sind zwielichtige Gestalten. Am besten, man fragt zuerst, wer sie heilig gesprochen hat. Ich sag’s sehr vorsichtig: Von den Gläubigen in El Salvador, nicht aber von Rom, wurde Oscar Romero heilig gesprochen. Er hat als Bischof die Armen verteidigte und sich gegen die Mörderbande der Militärjunta gewandt. Bei einem Gottesdienst wurde er ermordet.. Die Erinnerung an ihn, an Dietrich Bonhoeffer, an Martin Luther King sind wie Briefe aus der Ferne, die einem helfen, die Gegenwart zu erkennen und zu sehen, was sie hat und was ihr fehlt. Das sind Heilige: Briefe aus der Ferne, und wer sie lesen kann, braucht nicht mit seinem Mut und mit seiner Hoffnung anzufangen – das ist eine große Lebenserleichterung: wir sind nicht Ersten. Zahlreiche Krankenhäuser und christliche Gemeinden tragen den Namen der Heiligen Elisabeth. Wir feiern ein „Elisabethjahr“, weil sie im Jahre 1207 in Ungarn geboren wurde. Ihr Leben ist ein solcher Brief aus der Ferne, den wir nach 800 Jahren aufmerksam lesen, wird sie doch die „Nationalheilige“ der Deutschen genannt – ein kräftiger Kontrast zum „deutschen Michel“, zwar vom Erzengel Michael hergeleitet, aber im Gegensatz zu ihm mit einer Schlafmütze verbunden.