Einmal ist ein Journalist in ein amerikanisches Gehörlosenheim gekommen. Die Menschen saßen vor dem Fernseher und sahen die Rede eines Politikers. Sie lachten pausenlos. Warum sie lachten, da sie doch gar nicht verstünden, wollte der Journalist wissen. Weil er so lügt, erwiderten die Zuschauer, das sieht man doch, wie er lügt… Erinnern Sie sich an die Beweise für Saddam Husseins Massenvernichtungswaffen, die unter Dattelpalmen versteckten Lastkraftwagen mit den mobilen irakischen Biowaffenlaboren? Nie ist für die Zeichnung von Dattelpalmen so viel Blut geflossen… Ein russisches Sprichwort sagt: „Er lügt wie ein Augenzeuge“. Lügen gehört wohl zu unserem Leben. Ein Kind beginnt früh strategisch sinnvoll zu lügen. Mein Bruder behauptete, als er sechs war, er habe zwei Söhne, 36 und 44 Jahre alt. Und, fragten meine Eltern, machen sie dir Freude? Nur Sorgen, erwiderte mein Bruder. Kinder experimentieren mit Lügen. Ein Kind sagt: „Ich bin so müde“ und wird auf der Wanderung prompt getragen.
Psychologen behaupten, Männer lügen zur Selbstdarstellung, Frauen, damit sich das Gegenüber besser fühlt. Aber lügen tun alle: Man ist bei Beerdigungen traurig, hat Spaß an der Arbeit; man sagt: „Schön, dich zu sehen!“, „Wie gut, dass Sie da waren!“, „Ich hab’s leider eilig!“, „ wir sind gut aufgestellt“.
An der Stelle will ich an Gottes Gebot zur Sache erinnern: „Du sollst kein falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten!“ Klingt klar, wenn man bedenkt, der Nächste, das ist auch der Fernste, es ist Jeder und Jede. Man soll kein falsch Zeugnis reden gegen nichts und niemanden. Luther legt es so aus: „Niemand soll seinem Nächsten, Freund oder Feind, mit der Zunge schädlich sein noch Böses von ihm reden, es sei wahr oder erlogen“, doch jetzt kommt’s: „sofern es nicht aus Befehl oder zur Besserung geschieht“. Da ist schon das Schlupfloch – was kann man nicht alles mit „Befehl“ und „Besserung“ verteidigen? Da ist die Bibel kompromissloser: „Ein Greuel für Gott sind falsche Lippen!“ Das falsche Zeugnis richtet sich nicht nur gegen die andern, sondern immer auch gegen mich; das ist wie bei unserem Verhältnis zum Passbild: Da sagen wir regelmäßig: Das bin ich nicht! Können wir das beim Spiegelbild auch? Nein, das bin ich! Das Gebot ist eine Warnung, dass wir uns selbst nicht abhanden kommen mögen – jeden Tag…