Man soll aufhören, wenn es am schönsten ist, rät der Volksmund. Nur: Dieser Rat ist schwer zu beherzigen. Denn woher weiß ich, dass es jetzt am schönsten ist? Dafür aber, dass man aufbrechen soll, wenn etwas gelungen ist, dafür gibt es einen biblischen Abschiedssatz, der weit über seine unmittelbare Bedeutung hinausreicht.
Abraham, Vater der ersten biblischen Familie, schickt seinen Knecht in das ferne Zweistromland, wo er für den Sohn Isaak eine Frau suchen soll. Der Knecht bricht auf und trifft an einem Brunnen auf Rebekka, die sich als die Gesuchte erweist. Rebekkas Familie ist einverstanden. Rebekka selbst wird ebenfalls gefragt, denn, so heißt es im Text, „sie hat einen eigenen Mund“. Alle sind sich einig, doch die Familie will Rebekka und den Gast wenigstens noch ein paar Tage bei sich behalten. Da sagt Abrahams Knecht: „Haltet mich nicht auf, hat doch Gott meinen Weg glücken lassen.“ Der Satz bringt zum Ausdruck, dass der Knecht rasch zurückkehren will, um seine erfolgreiche Mission zu Ende zu führen. Doch die Worte lassen weiteres mitklingen:
„Haltet mich nicht auf, hat doch Gott meinen Weg glücken lassen“ – ein solcher Abschied wird möglich, wenn und weil etwas im Leben gelungen ist, weil Gott etwas hat gelingen lassen. (…) In diesem Wort kommt nicht die Rast- und Ruhelosigkeit dessen zum Ausdruck, den man nicht aufhalten darf, der noch viel zu tun hat, weil er noch so viel zu bewältigen hat, weil jeder Erfolg nach einem größeren schreit, weil der übervolle Terminkalender einen als gefragt und als in erweist. Der Knecht kann aufhören, weil er seine Aufgabe erfüllt hat – mehr muss nicht sein. (…..)
Heute ist christliches Wochenende und jüdischer Schabbat. Das Wort Schabbat heißt aufhören. Um die Unterbrechung des fortdauernden Machens geht es, darum, aufhören zu können, nicht das Letzte herauszuholen aus der Erde, der Arbeitskraft des Anderen und auch nicht aus der eigenen. „Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne“, sagt Hermann Hesse. Damit es Anfänge geben kann, bedarf es auch der Abschiede. Morgen wird der Abschiedsgottesdienst des Ökumenischen Kirchentags gefeiert – wird er zu neuen Anfängen ermutigen?