Eine Beratungsstelle für ehemalige Heimkinder in der DDR ist eröffnet worden. In Brandenburg wurden bis 1990 rund 75 000 Kinder in den Jugendwerkhöfen und anderen Spezialheimen drangsaliert. Hoffen wir, dass sie nun Hilfe bekommen für ihre Wunden an Leib und Seele.
Das Leiden der Heimkinder gibt Gelegenheit, an eine andere Anlaufstelle erinnern, das Warschauer Institut für Sonderpädagogik. Der Kinderarzt Dr. Janusz Korczak hielt dort Vorlesungen. Einmal kam er zur Vorlesung mit einem kleinen Jungen, der sich krampfhaft an seine Hand klammerte. Der Raum wurde verdunkelt, Korczak bat den Jungen, den Oberkörper freizumachen und sich vor diese seltsame Maschine oder Laterne zu stellen. Die Zuhörer erblickten auf dem hellen Schirm ein Herz. Es dehnte sich und zog sich unruhig zusammen in der Bewegung der Atemzüge, des Zitterns und des schnellen Pulses. Korczaks Stimme kam aus dem Dunkel: „Seht es euch an und haltet es euch immer vor Augen: Immer wenn ihr erschöpft und erzürnt seid, wenn die Kinder unausstehlich sind, wenn ihr aufgebracht seid, wenn ihr im Zorn strafen wollt – haltete es euch dann vor Augen, dass dann das Herz eines Kindes so aussieht und so reagiert. Das ist nicht das Kind, das hier weint, es weinen die Jahrhunderte, Schmerz und Sehnsucht wehklagen“. Später fügte er hinzu: „Es gibt einige Kinder, die nicht das Alter ihrer zehn durchlebten Jahre haben. Sie tragen das Gewicht vieler Generationen…“ Er wusste aber auch: „In jedem glüht ein eigener Funke, der ein Feuer des Glücks und der Wahrheit entzünden kann.“. Oft hat ein Kind Korczak außer Fassung gebracht, zum Beispiel, wenn er auf dem Gesicht die Frage las: „Darf ich trotz der Dummheiten, die ich gemacht habe, weiter bei euch bleiben?“ Im Alter von 14 Jahren verließen die Kinder das Waisenhaus mit einem Brief, in dem stand:
Wir nehmen Abschied für eine lange und weite Reise. Diese Reise hat einen Namen – das Leben. Wir geben Euch eins: Sehnsucht nach einem besseren Leben, welches es nicht gibt, aber geben wird, ein Leben der Wahrheit und der Gerechtigkeit. Vielleicht wird Euch diese Sehnsucht zu Gott, zum Vaterland und zur Liebe führen.
Lebt wohl, vergesst es nicht.