Einen Freund wollte ich besuchen. Der lag im Krankenhaus. Auf dem Weg dorthin sah ich eine kleine Buchhandlung, trat ein und sagte, ich wolle ein Buch für den Besuch bei einem Kranken erstehen. Die Buchhändlerin fragte freundlich: „Soll es etwas Christliches sein oder geht es ihm schon besser?“ Treffend, erhellend, gut gefragt – und doch habe ich mich geärgert, weil sie eine schwache Stellung getroffen hatte. Krankheit, Leid und Schmerzen gehören zum Christlichen; Gesundheit, Erholung, Stärkung verbindet man mit ihm nicht. Dabei war das Christentum am Anfang eine große Heilungsbewegung: Menschen wurde die Würde wieder gegeben, sie lernten, aufrecht zu gehen und klar zu sehen. Die Wege von christlichem Glauben und medizinischer Heilkunst haben sich getrennt. Die Frage, ob Gesundheit wirklich nur ein medizinisches Problem ist, könnte sie wieder zusammenbringen…
Monat: März 2013
Worte für den Tag | Freitag, 15. März 2013
„Es ist doch gar nicht so schlimm“, „Nimm es Dir nicht so zu Herzen“, „Andern geht es auch nicht besser“, „das geht vorüber“ – nein, so geht es nicht, so kann ich nicht reden – schönfärben, verharmlosen, ablenken – das ist doch kein Trost! Aber was ist „trösten“?
Die S-Bahnfahrt zum Krankenhaus ist lang und wenn ich mich umsehe, sehe ich nicht gerade sehr getröstete Gesichter. Mir fällt ein: Trostpreise, Trostpflaster, Trösterchen, da hat sich einer ja schnell getröstet – alles negativ. Und ich denke an den Buchtitel: „Die Lügen der Tröster“. (…)
Worte für den Tag | Donnerstag, 14. März 2013
Ein Krankenbesuch steht mir bevor. Ein Kollege, dem ich davon erzähle, sieht mich mitfühlend an und sagt: „Gesundheit ist nicht alles, aber ohne Gesundheit ist alles nichts.“ Dann stehe ich vor dem riesigen Krankenhauskomplex und denke an die vielen, die damit leben müssen, dass sie nicht gesund sind! Und die nie mehr richtig gesund werden! Sollen sie sagen: Ohne Gesundheit ist alles nichts? Während ich die langen Flure entlang wandere, geht mir durch den Kopf: Wir sind vielleicht nur dann gesund an Leib und Seele, wenn Gesundheit nicht alles für uns ist. Ich verachte nicht das Können und die Verheißungen moderner Medizin. Im Gegenteil: Weil die Medizin heute so tüchtig und erfolgreich ist, können mehr Menschen mit Beeinträchtigungen oder im Schatten einer Krankheit leben.
Worte für den Tag | Mittwoch, 13. März 2013.
Lange waren es die Lebensfelder Sexualität und Erotik, über die man nicht sprach. Das ist inzwischen vorbei. Im Umgang mit Krankheit ist dies immer noch anders. Wer mit einer bösen medizinischen Diagnose konfrontiert wird, spürt oft Hemmungen, davon zu sprechen. Eine solche Diagnose verändert das Leben, sie unterbricht die Selbstverständlichkeiten des Alltags, streicht Planungen und Perspektiven durch.
Das ließe sich noch irgendwie arrangieren; weitaus bedrohlicher ist, dass eine solche Diagnose (….) die gesamte Lebensgewissheit verletzt.
Worte für den Tag | Dienstag, 12. März 2013
Der Anfang des menschlichen Lebens liegt offen zutage: Wir sehen: ein zerknittertes rotblaues Menschlein tritt oder rutscht oder kämpft sich aus dem Körper einer Frau heraus; manchmal schnell und schmerzlos, manchmal dauert es Stunden und tut der Gebärenden sehr weh.
Worte für den Tag | Montag, 11. März 2013
„Es gibt nichts Neues unter der Sonne.“ Dieser Satz steht im biblischen Buch Kohelet, übersetzt mit „Der Prediger“. Alles schon mal da gewesen – damit mag der Prediger manchen, vor allem den älteren Menschen aus dem Herzen sprechen. Klar ist aber auch, dass er Vielem widerspricht, was sonst noch in der Bibel steht, die von Gott sagt: „Siehe, ich schaffe Neues, jetzt sprießt es auf, erkennt ihr es nicht?“
(…)