Abendsegen | Donnerstag, 1. März 2018

Die Schere zwischen guten Bibelkennern und vollkommen Ahnungslosen geht weiter auseinander. Es kommt dabei zu seltsamen Begegnungen:

Ein frommer Mann besucht ein Gymnasium, weil ihn der Religionsunterricht interessiert. Er fragt einen Schüler, wer wohl die Mauern von Jericho zerstört habe. Der Schüler sagt, dass er es nicht wisse, aber er sei es auf  keinen Fall gewesen.
Der erschütterte Besucher geht zum Klassenlehrer und trägt ihm das vor. Der sagt, er kenne den Schüler und seine Familie sehr gut; wenn er das behaupte, könne man ihm ruhig Glauben schenken. Der Besucher ist aufgebracht und geht mit beiden zum Rektor und berichtete alles. Darauf der Schulleiter: „Ich weiß wirklich nicht, warum Sie sich so aufregen! Wir holen uns jetzt drei Kostenvoranschläge und reparieren diese verdammte Mauer!“

Im Übrigen: Die Geschichte habe ich in der Schweiz gehört.

Gott, der uns erschaffen hat mit Stärken und Schwächen, segne die Ruhe der Nacht. Er Lasse uns erwachen mit neuer Lust, dieses große Buch wieder zu entdecken.

Abendsegen | Mittwoch, 28. Februar 2018

Wislawa Szymborska, die große Dame der polnischen Dichtung, 1996  Nobelpreis für Literatur, schrieb einen gar nicht so lyrischen „Beitrag zur Statistik“

„Auf hundert Menschen
zweiundfünfzig, die alles besser wissen, dem fast ganzen Rest ist jeder Schritt vage.
Beständige Gute, weil sie’s nicht anders können, vier, na sagen wir fünf.
Die keine Scherze dulden, vierundvierzig.
Die einzeln harmlos sind und in der Masse verwildern, über die Hälfte, sicher.
Die nach dem Schaden klug sind, nicht viel mehr als die vor dem Schaden klug sind.
Gerechte, recht viel, fünfunddreißig. Bemitleidenswerte, neunundneunzig.
Die zur Bewunderung ohne Neid neigen, achtzehn.
Hilfsbereite, wenn’s nicht zu lange dauert, gar neunundvierzig.
Leidgeprüfte, ohne ein Licht im Dunkel, dreiundachtzig, früher oder später.
Sterbliche, hundert auf hundert. Eine Zahl, die sich vorerst nicht ändert.

In dieser Nacht reiche Gott allen seine Hand, denen der Weg alleine zu schwer wird; er möge sie behüten und er lasse sein Angesicht über ihnen leuchten.
Quelle: Wislawa Szymborska, Die Gedichte. Hrsg. Übertragen von Karl Dedecius
Brigitte-Edition, Suhrkamp, Frankfurt a.M., Bd. 12, S. 313f.