Ein kleiner vergilbter Schein flattert auf den Küchenboden, als ich das Buch aus der Bibliothek in die Hand nehme und sich die Seiten dabei auffächern. Boarding Pass, lese ich und erspüre mit den Fingern auf der Rückseite den Magnetstreifen, Economy, Zone 3, Sitz 21A, 28. März, no Smoke, Tarom, Aha, das Kärtchen wird ein wenig älter sein, denn eine Jahreszahl steht keine da, dafür der Name der Frau, die vor Zeiten auf dem Sitz 21A Platz genommen hat: Petra, und ein Doppelname ohne Bindestrich. Und dann entdecke ich das Wort, das Zauberwort, das in der Mitte des kleinen Abschnitts steht, das mich augenblicklich am verborgenen Geheimnis der Reise teilnehmen lässt: Kathmandu.
Kathmandu – wie hat sie dort gelebt, wen hat sie dort getroffen? Wie lange ist sie in dort geblieben? Das ruft etwas in mir wach, mehr, als ein Roman oder ein Film vermag. Kathmandu…Es gibt Wörter, da klingen Geheimnisse an: Casablanca, Tadj Mahal, Czernowitz oder Jerusalem. Es gibt präzise Bilder vom Mars, da ist jede Wölbung der Oberfläche zu sehen. Der Planet soll unserem ganz ähnlich sein…Wieder ein Mythos dahin.
Wovon soll man noch träumen, wenn jedes Geheimnis gelüftet, jeder Schleier gelüftet, jede Wirklichkeit ihren Begriff bekommt? Da ist es ja noch tröstlich, dass es nicht allein die berechenbaren Abgründe der Erde gibt, sondern auch die unberechenbaren der Seele; nicht allein die ausgemessenen Tiefen der Welt, sondern auch die unermesslichen der Liebe und der Hoffnung, dass es nicht nur Kräfte an der Oberfläche gibt, sondern die darunter, in Bewegung gebracht von einer geheimnisvollen Hand… Also Kathmandu. Ein umherflatternder Zettel, darauf ein Wort, ein Ort und eine geheimbisvolle Geschichte, die sich vielleicht dahinetr verbirgt. Ein Anruf unterbricht meine Gedanken.
„Ich habe ein Geheimnis“ flüstert mir mein 5jähriger Enkel Benjamin durch den Telefonhörer ins Ohr. Und ich, mit der bewusstlosen Neugier eines Erwachsenen, frage dumm zurück: „Was für eines?“ „Das kann ich nicht sagen“, antwortet Benjamin gescheit.