Ein hochbefrachtetes Bibelwort der Weihnachtszeit heißt „Erschienen ist die heilsame Gnade Gottes“. „Gnade“ – ein großes Wort, kirchlich vereinnahmt und hochherrschaftlich geprägt, klingt ein wenig von oben herab, verpflichtend, Aber was hat Martin Luther da übersetzt? Im Originaltext steht das griechische Wort „charis“, das wir rasch als „Charme“, als „chamant“ und damit als „bezaubernd, unwiderstehlich, liebenswürdig“ verstehen. Wer es feiner haben will: „Charme“ wäre im Deutschen „Anmut“. „Erschienen ist die ‚Anmut Gottes“‘ – war das für Luther zu unernst? Wenn wir einmal Verliebtheit ausklammern – was gibt es bezaubernderes, charmanteres als das Lächeln eines kleinen Kindes?
Das wird alle erfreut haben, die Eltern wie auch die grobklotzigen Hirten und die
feinsinnigen Gelehrten? Das Glück darüber hat nichts Gezwungenes. Von Anmut und Charme werden wir bezaubert und unwiderstehlich angezogen, Deshalb erfand die Tradition noch allerlei Elendsgestalten hinzu, Räuber, Ochs und Esel, den berüchtigten Krippenfloh. Selbst Joseph, etwas im Hintergrund, soll für das Kind seine Hosen gekürzt haben, um es zu wärmen. Im Kind erscheint die Anmut, der Charme Gottes. Wer kann sich dem entziehen?
Unser Vater in den Himmeln, Lass uns zum Segen werden den Mond über uns, die Erde unter uns, die Freundschaft zwischen uns und die Ruhe der Nacht vor uns!