„Es ist doch gar nicht so schlimm!“, „Nimm es dir nicht so zu Herzen!“, „Andern geht es auch nicht besser“, „Das geht vorüber“ – nein, so geht es nicht, so kann ich nicht reden – schönfärben, schönreden, ablenken, das ist doch kein Trost! Aber was ist „trösten“?
Die S-Bahnfahrt zum Krankenhaus ist lang und wenn ich mich umsehe, sehe ich auch nicht gerade getröstete Gesichter, sondern nur Masken. Trost…mir fällt Trostpflaster ein, Trostpreis, Trösterchen, manche können sich ja schnell trösten. „Die Lügen der Tröster“ heißt ein unangenehmes Buch.
Ich werde gleich am Fußende eines Bettes stehen und meinen kranken Freund…ja nun, trösten.
Ich habe gelernt, die Bibel zu lesen. Heinrich Heine hat die Bibel die „Hausapotheke der Menschheit“ genannt. Er war krank genug, das nicht spöttisch zu meinen. Wohl dem, der eine gute Hausapotheke hat. Heines Hausapotheke bringt mir erst einmal bei, dass Trost nicht nur ein Leid-Wort, sondern ein Leitwort ist. „Ob ich schon wanderte im finsteren Tal, fürchte ich kein Unglück, denn du bist mir, dein Stab und deine Stütze trösten mich!“, sagt der Psalm 23.
Vom Propheten Jesaja fällt mir ein: „Ich will dich trösten, wie einen seine Mutter tröstet!“ – Trost – die Muttermilch Gottes; ein solcher Trost ernährt uns, stillt uns, birgt uns in ihrer Nähe, macht uns wieder groß und stark….
Gut, dass ich aussteigen muss, sonst denken die Mitfahrenden, der murmelt vor sich hin, als sei er nicht ganz bei Trost? Eine freundliche und offensichtlich übermüdete Schwesternschülerin zeigt mir den Weg zum Krankenzimmer. „Ich habe auf der Herfahrt über das Trösten nachgedacht“, sage ich meinem Freund. Er kennt auch die Bibel und die hebräische Sprache, in der sie geschrieben ist. „Und ich auch“, sagt er, „weißt du, dass das hebräische Wort „trösten“ eine gemeinsame Wurzel hat mit dem Wort „aufatmen“ und „wieder aufatmen lassen“?
„Ja, das wollte ich“, sage ich etwas verwirrt. „Das hast du auch, wenn du mich hier besuchst. Das bringt mich wieder zum Aufatmen!“ , sagte er lachend. Jetzt bin ich so verlegen, dass ich selber aufatmend etwas von seinem Abendbrot-Tablett nehme.
Corona ist eine Atemnot-Krankheit. Dass doch viele, viele wieder aufatmen können, so hoffen und bitten wir.