„Während Fußball-Europa- und Weltmeisterschaften schaue ich mir jedes Spiel der Holländer an, wenn sie denn dabei sind“, erzählte mir eine Kollegin aus – Holland. Dann sitzt sie in einem Restaurant oder bei Freunden im Garten, springt auf, wirft die Arme in die Luft und schreit van Persie zu, das Snejder freisteht. Vielmehr lässt sich da nicht machen. Dies „Da lässt sich nichts machen…“ hat etwas Verzweifeltes, manchmal humorvoll, manchmal depressiv.
Es erinnert mich an eine Geschichte aus Südafrika. Ein Anwalt schaute zu, wie eine Frau versucht, ihr Auto aus einer Parklücke zu manövrieren. Er geht zu ihr hin und weist sie Schritt für Schritt an, bis der Wagen draußen ist. „Thank you, John“, meint die Frau. John ist der Einheitsname der Weißen für die Schwarzen. John. Dann streckt sie dem Mann eine kleine Münze hin. Er lehnt sie ab. Lehnt sie ab, auch auf Drängen. Der Mann nimmt das Geld nicht. Schließlich wirft die Frau es ihm vor die Füße und ruft: „Es reicht dir wohl nicht!“ und braust davon. Südafrika im Jahr 1952. Der Anwalt hieß Nelson Mandela.
Er hätte sich sagen können: So sind die Dinge halt; da kann man nichts machen. Hat er aber nicht. Er hat die Erniedrigung seines Volkes nicht hingenommen und dafür später 30 Jahre gesessen… Auf einer Sträflingsinsel.
Nun, ich bin kein Nelson Mandela, aber – ich kann zum Bespiel dazwischen gehen. Oder ich kann mich entschuldigen. Oder ich kann abends darüber nachdenken, was der Tag Schönes für mich bereitgehalten hat – meist lässt sich ja noch im Mühsamsten etwas finden. Oder ich kann Vertrauen anbieten, statt auf der Hut zu sein, kann versuchen, nicht zu lügen, kann wertschätzend von anderen sprechen, kann für die Verzweifelten in Syrien oder auf Lesbos einen Einzahlungsschein ausfüllen.
Ich kann in Corona-Zeiten daran erinnern, dass nicht wir es sind, die verhungern, dass das Elend in den Libanon-Lagern anders ausschaut als ein paar Tage in meiner Wohnung. Ich kann natürlich auch van Persie etwas in den Strafraum schreien oder doch selber einen gangbaren Weg suchen. Das vor allem.