Abendsegen | Donnerstag, 6. Oktober 2022

„Gute Nacht!“ – Man braucht viel Vertrauen, um abends zur Ruhe zu kommen und einzuschlafen. Die meisten Menschen haben dafür ihr persönliches Ritual entwickelt. Ein bekömmliches Essen. Die Nachrichten um 22.h. Eine verschlossene Tür. Manche einen Spruch von Wilhelm Busch: „ Wer Sorgen hat, hat auch Likör“.

Es gibt Nächte, in denen das alles nichts hilft. Sorgen jeder Art kommen ungerufen, menschliches Beten hat seinen Ursprung in der Bitte um Schutz vor und in der Nacht. Im kleinen Schlaf hat der große Schrecken seine Macht über uns verloren.

Frau Kopecka in Bert Brechts Stück vom „Schweyk“ singt: „Das Große bleibt groß nicht und klein nicht das Kleine. Die Nacht hat zwölf Stunden, dann kommt schon der Tag.“
Ich möchte mir vorstellen, dass Gott all die glücklichen und unglücklichen, gesunden und kranken, jungen und alten, neugeborenen und sterbenden Menschen in der Hand hält und dass ihm nicht einer fehlet…

Unser Vater in den Himmeln, sei um uns herum und segne unsere Nacht!

Abendsegen | Mittwoch, 5. Oktober 2022

Die Spanne zwischen dem 1. September und dem 4. Oktober wird „Schöpfungszeit“ genannt: Katholiken feiern am 1. September den Tag der Bewahrung der Schöpfung, Evangelische das Erntedankfest, der 4. Oktober ist internationaler Welttiertag und Gedenktag des Heiligen Franz,. Schweizer Katholiken stellten diese „Schöpfungszeit“ unter den Slogan „Himmelsduft und Höllengestank“. Meine Luzerner Kollegin Jacqueline Keune hat ein Gebet dazu geschrieben:

„Du hast uns, Gott, einen Raum zum Leben geschaffen, der so viel Wunderbares zu sehen, zu hören, zu schmecken und zu riechen gibt. Die Haut der Säuglinge, die Rosen am Abend, die Blüten der Sommerlinden…die salzige Luft über dem Meer, die Schalen der Orangen im Kachelofen. Lass uns selber ein Wohlgeruch sein, den Geruch Jesu auf unserer Haut tragen, den Geruch der Gerechtigkeit und der Geschwisterlichkeit, und uns nie mit dem arrangieren, was zum Himmel stinkt.“

Gott, schenke uns als deinen Geschöpfen einen stärkenden Schlaf in einem gut durchlüfteten Raum, dass wir morgen wieder mit der Nase voran in unseren .Tag gehen können!

Quelle: Die Radiopredigten SRF 2 Kultur, Vreni Amman, Schöpfungszeit, 3. September 2017, S.4

Abendsegen | Dienstag, 4. Oktober 2022

Der 4. Oktober ist der Gedenktag des Heiligen Franz von Assisi. Er lebte von 1181 bis 1226, er hat die gesamte Welt, ihre Menschen, Tiere, Pflanzen und alle Elemente, beschenkt mit dem Bild eines lebensgerechten Miteinanders. Man sagte von ihm, er sei getreu im Anvertrauten gewesen und—vorsichtig im Rat geben! Zwischen ihm und seiner Freundin, der Heiligen Klara, nahm  Gestalt an, was wir zärtliche Zuneigung nennen, die schönste Bewegung des Lebens. 

Er war ein befreiender Mensch – nichts braucht unsere Gegenwart dringender und nötiger als befreiende Menschen. Dem Evangelium der Macht stellte er die Macht des Evangeliums der Zärtlichkeit entgegen. Zwei Worte aus seinem großen „Sonnengesang“:

„Gelobt seist du, mein Herr, für unsere Schwester, Mutter Erde, die uns erhält und lenkt, und vielfältige Früchte hervorbringt mit bunten Blumen und Kräutern.

Gelobt seist du, mein Herr, für Bruder Feuer, durch den du die Nacht erleuchtest, und schön ist er und kraftvoll und stark.“

Unser Vater, unser Schöpfer, stärke unseren Schlaf, lass uns gekräftigt erwachen und mache uns zu einem Werkzeug deines Friedens!

Abendsegen | Montag, 3. Oktober 2022

Der erste Tag der Arbeitswoche kommt an sein Ende – Gelegenheit zur kurzen Bilanz oder zum dankbaren Nachdenken – erst recht heute, wo dieser Tag für die meisten ein freier Tag war, ein Feiertag. Wie hört sich das bei dem Dichter Hans Magnus Enzensberger an?

„Vielen Dank für die Wolken.
Vielen Dank für das Wohltemperierte Klavier
und, warum nicht, für die warmen Winterstiefel.
Vielen Dank für mein sonderbares Gehirn
und für allerhand andre verborgene Organe,
für die Luft, und natürlich für den Bordeaux.
Vielen Dank…für die Erdbeeren auf dem Teller
sowie für den Schlaf, für den Schlaf ganz besonders,
und damit ich es nicht vergesse, für den Anfang
und das Ende und die paar Minuten dazwischen
inständigen Dank,
meinetwegen für die Wühlmäuse draußen im Garten auch.“

Unser Vater in den Himmeln, lass uns beim Einschlafen noch ein paar Zeilen hinzufüge
und segne Enzensbergers und unseren Schlaf. Danke für ein Glas Wasser in der Nacht, es
muss kein Bordeaux sein…

Quelle: H.M. Enzensberger,
Titel: Empfänger unbekannt,
In Kiosk, Suhrkamp, Frankfurt a.M. 2018 (gekürzt)