Abendsegen | Sonntag, 26. Februar

„Ausfahrt freihalten!“ an den Gartenzäunen meiner Straße steht es, gebieterisch, mahnend, wie „Letzte Warnung!“ Freiheit für eine aufbrechende Ausfahrt. Garten für Garten: „Ausfahrt freihalten!“ Eine Nachbarschaft im Daueraufbruch. Einmal steht auch da: „Tag und Nacht freihalten! Parkverbot!“ „Ausfahrt freihalten!“ Da kommt alles Streben und Hoffen einer Auto-Nation auf Freiheit zusammen: „Das muss ein schlechter Deutscher sein, dem niemals fiel die Ausfahrt ein!“ Zwischen allen hängt ein Schild, das mir täglich zu denken gibt. Da steht nicht drauf „Ausfahrt freihalten“, sondern „Freiheit aushalten!“
Je länger ich lebe, desto gewisser wird mir: Dieses Gebot kann an die Zehn Gebote angehängt werden, kaum etwas ist schwerer und lebenserhaltender als dies: „Freiheit aushalten!“
So viele Nationen wurden 1989 frei von Vorherrschaft und Bevormundung und wie schnell wollten sie selbst herrschen, ließen Andere, Fremde und Flüchtende nicht ins Land. „Ausfahrt freihalten!“, ja, bitte! Aber „Freiheit aushalten!“ – ist das schwer! Nationen mit langer Freiheitsgeschichte haben heute mit Belagerungen ihrer freiheitlichen Parlamente zu kämpfen.
Am Nachbarzaun steht seit langen Jahren: „Ausfahrt freihalten!“ – ein Gartentor weiter seit wenigen Jahren ein neues Schild mit einer alten Mahnung: „Freiheit aushalten!“

Unser Vater: Bringe mit deinem stärkenden Segen unser Grübeln zur Ruhe; lass uns in der neuen Woche gute Erfahrungen mit der Freiheit machen!

Abendsegen | Sonnabend, 25. Februar

Was an Nachrichten jüngst auf uns hereingebrochen ist, hat viele Menschen bedrückt.
Vor einem Jahr fuhren Putins Panzer auf das ukrainische Land und seine Menschen los. Hinzu kamen die Meldungen der Corona-Krankheitsstände, begleitet von der Energie- und Klimakrise. Krieg, Krankheit, Klima – viele Menschen, darunter viele Kinder, wurden, mit einem alten Wort, trostbedürftig. Aber Trost kann man sich nicht selbst spenden. Man braucht einen Menschen, der zuhört, vielleicht das rechte Wort sagt. Wohl allen, die einen geschwisterlichen Rat erfahren haben, auch selbst geben durften, selbst geben konnten. Denn Sensibilität für einander darf ja nicht zu Lähmung oder Weltschmerz führen. Wer die Welt wirklich verbessern will, darf nicht in Schwermut untergehen, sondern muss mit einer gewissen inneren Robustheit Stärke des Herzens zeigen.
Heute feierten die jüdischen Gemeinden Schabbat. Ich erzähle eine Geschichte von Rabbi Sussja. Er hat alle Gebote erfüllt, er kommt zum Himmel, sein Name ist ins Buch des Lebens eingetragen. Da fragt ihn Gott nach der Stadt, aus der er kommt. „Hat sich dort nicht ein schreckliches Unrecht ereignet?“ „Ja, es war schlimm!“ „Hast du dagegen protestiert?“, fragt Gott. Sussja antwortet:
„Hätte es denn etwas genützt?“ Gott sagt: „Das weiß ich nicht. Aber vielleicht dir.“

Gott, unser Schöpfer, segne die Stunden und Tage, die vor uns liegen und lass immer wieder gelingen, dass wir einander zur Heimat werden.

Abendsegen | Freitag, 24. Februar

Seit einem Jahr hält das ukrainische Volk dem menschenfeindlichen Überfall auf sein
Land durch Russland stand. Neben aller solidarisch wirksamen Hilfe durch befreundete Länder, bleibt der Widerstand ein Wunder. Woher kommt diese Überlebensenergie, diese seelische Stabilität, dieser Lebensmut, diese Unerschütterlichkeit, dies Vertrauen in die Verheißung der Freiheit?
Es ist gewiss eine starke Form des Trotzes. Im Trotz erfahren wir unsere Autonomie,
unsere Selbständigkeit, unsere eigene Persönlichkeit. In Trotzphasen emanzipieren sich Kinder. Für Christen ist Ostern das große Trotzfest: Du, Tod, wirst nicht siegen! Martin Luther wie Martin Luther King gewannen ihre Stärke aus ihrem Trotz – oder wie ich bei meiner Kollegin Christina Brudereck gelesen habe – aus ihrer Trotzkraft. Trotzkraft, das steckt im biblischen Wort für Mut, ometz lev, wörtlich übersetzt: Stärke des Herzens. Ich will gewiss nicht die Ukraine zu einem bibeltreuen Volk erklären, aber der Beginn des 27. Psalms ist erstaunlich: „Der Herr ist meines Herzens Stärke, vor wem sollte mir grauen?“

Unser Vater, segne die Ruhe der Nacht, stärke den Lebensmut unserer ukrainischen Nachbarn, dass sie sich aufrichten nach jedem Schlag.

Abendsegen | Donnerstag, 23. Februar

Ein Jahr ist es her, dass die Nachrichten von einer verstärkten Truppenansammlung an der russisch-ukrainischen Grenze berichteten. So recht wollten viele Menschen im Westen Europas nicht darüber nachdenken. Manöverübungen könnten das werden, aber doch kein…
Im Jahre 1517, vor einem halben Jahrtausend, hat einer der klügsten Menschen Europas, genannt Erasmus von Rotterdam, eine „Klage des Friedens“ geschrieben. Darin heißt es: „Es ist jetzt schon so weit gekommen, dass man den Krieg allgemein für eine annehmbare Sache hält und sich wundert, dass es Menschen gibt, denen er nicht gefällt…wie viel gerechtfertigter wäre es dagegen, sich zu wundern, welche Pest, welche Tollheit, welche Furie diese bestialische Sache in den Sinn der Menschen gebracht haben mag, dass jenes sanfte Lebewesen mit so wilder Raserei, so wahnsinnigem Tumult zur gegenseitigen Vernichtung eilte…so mögen wir Krieg und Frieden… vergleichen, und es wird klar werden, ein wie großer Wahnsinn es sei, mit so einem großen Kostenaufwand, unter höchster Gefahr und so vielen Verlusten Krieg zu veranstalten, obwohl um ein viel geringeres die Eintracht erkauft werden könnte.“
Dem Urteil des Erasmus stimmen mehr Menschen zu als jemals zuvor. Es gibt noch Menschenfeinde, ja, aber die weitreichendste europäische Lernhilfe für die zukünftige Generation trägt den Namen Erasmus.

Unser Vater, stärke unsere Ruhe mit deinem Segen, begleite uns in den Stunden der Schlaflosigkeit!

Quelle: https//de.wikipedia,org./wiki/Die_Klage_des_Friedens, S. 2

Abendsegen | Mittwoch, 22. Februar.

Aschermittwoch – er trennt die bunte Zeit des Faschings von der 40tägigen Fastenzeit, der Vorbereitung auf Ostern. Seit einem Jahrtausend lassen sich Menschen an diesem Tag Asche aufs Haupt streuen mit Blick auf ihre befristete Lebenszeit: „Bedenke Mensch, dass du Staub bist!“ Dabei stehen sie aufrecht, würden sie sich beugen, würde die Asche abfallen. Im aufrechten Gang können wir zu unserer Schwäche stehen. Das Fasten zieht seit alters her Menschen an: Die Bibel erzählt, Jesus habe vierzig Tage und Nächte gefastet.
Warum tat er das? Ich wage eine Antwort: Um Hunger zu bekommen, denn die Bibel erzählt: Als er vierzig Tage und Nächte gefastet hatte, bekam er Hunger. Worauf? Wonach? Hunger nach Dörfern und Städten – nach Menschen. Es steht da, dass er umherzog und viele heilte. Von überall her kamen Erkrankte, Angsterfüllte, Enttäuschte, Ausgebrannte, Geschwächte, solche, ohne Aussichten.
Ich glaube nicht, dass er abnehmen wollte, sondern, pardon, zulegen an Anteilnahme und Zuwendung, Ich versuche es noch einmal: Es ging nicht um eine schmalere Taille, es ging um ein breiteres Leben für alle. Ich weiß nicht, ob es so war, es passte nur so sehr gut zu ihm.

Unser Vater, segne unser Schlafen und segne unser Wachen, dass wir wieder morgen erwachen zu dem, was wir können!

Abendsegen | Dienstag, 21. Februar

Faschingsdienstag – in Berlin ein reichlich rätselhaftes Ereignis! Ein Berliner Protestant hält nicht viel davon, wildfremden Menschen um den Hals zu fallen oder sie gar zu küssen.
Er hat nichts gegen rheinischen Witz, den zum Beispiel: Gregor Gysi und Norbert Blüm betreten eine Kölner Kneipe und rufen: „Zwei Kurze“. Der Wirt: „Das sehe ich, und was wollen die Herren trinken?“ Vielleicht gibt’s ja beim Protestanten tief innen eine Sehnsucht nach Tollheit, aber er ist kontrolliert und erlaubt sich höchsten heimlich 10 Minuten „Mainz wie es singt und lacht“ anzusehen.
Die Protestanten und die Fastnacht – ich könnte es mit einem Wort abtun: katholisch! Für einen preußischen Protestanten heißt das: voraufgeklärt, Argumenten unzugänglich, muss sich ausleben. Er, der Protestant, liebt dagegen das Maßvolle, das Gleichmäßige, das Nützliche, die Arbeit, den Fleiß, den Erfolg. Der frühere Benediktinermönch Fulbert Steffensky, heute evangelischer Theologe, hat in diesem Sinne über die Protestanten gelächelt, uns, die so sehr die Narren in sich selbst fürchten…
Gott, unser Schöpfer, lasse leuchten sein freundliches Angesichts über alle seine
ungezogenen Töchter und verlorenen Söhne, über uns alle.

Abendsegen | Montag, 20. Februar

Überall, wo Menschen sich heute am Arbeitsplatz eingefunden haben, begrüßten sie sich so oder ähnlich: „Na, wie war’s am Wochenende?“, „Hatten Sie einen schönen Sonntag?“
Nun sehen Christen den Sonntag eigentlich als Anfang der Woche an, er ist der erste Tag, Feiertag einer neuen Schöpfung, die mit der Auferstehung Jesu Christi begann. Da gehören wir nicht dem Geschäft, nicht dem Chef, da haben wir frei, da sind wir frei. Sagt jetzt jemand: Ist doch im Grunde gleich, Wochenende–Wochenanfang, Hauptsache, man braucht nicht zu arbeiten! Ich gebe zu bedenken: Ist Montag der erste Wochentag, heißt das: Zuerst seid ihr auf der Welt, um zu arbeiten? Der nächste Schritt hieße: Du bist zum Arbeiten geboren. Deshalb bist du so viel wert, wie du leisten kannst. Du bist Mensch, so lange du nützlich bist. Arbeit ist das Wichtigste im Leben, damit fängt die Woche an.
Beginnt aber – christlich gesehen – die Woche mit dem Sonntag an, sind wir nicht nur Mensch, so lange wir nützlich sind, sondern frei und geboren, um zu leben und zu lieben. Mag der Sonntag auf unseren Kalendern ruhig am Ende der Woche stehen – er erinnert an einen Anfang. Er hat Vorrang. Anfang gut, alles gut. Ich hoffe, Sie hatten einen guten Sonntag.
Unser Vater, segne die Ruhe der Nacht und den ersten Blick auf das Licht des neuen Tages.

Abendsegen | Sonntag, 12. Februar

Es ist nur eine kleine Geschichte, die mir eine Freundin aus der Schule erzählte, aber für den Sonntag-Abend so wunderbar geeignet, denn sie handelt von Wundern:
Die Lehrerin gab der Klasse am Freitagmittag in der letzten Schulstunde der Woche eine Aufgabe. Jedes Kind sollte seine persönlichen „Sieben Weltwunder“ auf einem Blatt notieren, die Pyramiden in Ägypten oder die Chinesische Mauer oder die Golden- Gate-Brücke in San Francisco und was ihnen an tollen Bauwerken einfiel: Beim Einsammeln kam die Lehrerin zu einer Schülerin, die noch am Grübeln war. „Ist es so schwer mit den Weltwundern?“, „Ja“, antwortete die Schülerin, „die Entscheidung war nicht leicht; es gibt doch so viele Wunder!“ „Na, dann lies uns doch mal vor, wofür du dich entschieden hast!“
Das Mädchen wurde verlegen, begann dann zögerlich vorzulesen:
“Meine sieben Weltwunder sind:
Sehen
Hören
Riechen
Berühren
Fühlen
Lachen…
…und lieben“
In der Klasse wurde es ruhig.
Unser Vater, stärke und schütze mit deinem Segen alle unsere Sinne und bewahre sie
in ihrer wunderbaren Vielfalt.

Abendsegen | Sonnabend, 11. Februar

Wer mit der sehr pünktlichen Schweizer Eisenbahn von Zürich nach Luzern fährt, hält einmal zur großen Freude der Kinder an einem Bahnhof, der „Zug“ heißt. Zug am Zuger See gelegen, ist eine reiche Stadt der Kongresse, Konferenzen und der exquisiten Kirschtorten mit ein paar Tröpfchen Schnaps…

Eine andere liebenswürdige Tradition der evangelischen und katholischen Kirche in Zug ist der „Zuger Stadt-Segen“. Nicht nur „s Gäld isch doo dahaim“, sondern die Menschen mit ihren Hoffnungen und Sorgen sollen gesegnet sein. Es heißt im „Stadt-Segen“, den die Luzerner Theologin Jacqueline Keune gedichtet hat:
„Du bist gesegnet, liebe Stadt, mit Grün, das birgt, mit Grund, der hält, mit Himmel, der weit macht, mit Menschen, die das Gute suchen. Der Sommer, der die Kirschbäume bewohnt, erzählt von dir, das Licht, das sich über den See legt, das Lachen, das sich durch die Gassen zieht, das Rennen der Kinder, das Rechnen der Köpfe. In der Freude der Glocken, die den siebten Tag begrüßen, im Schiffshorn, das den Nebel teilt…Behüte sie, unsere Stadt! Nimm ihre Schwachen in deinen Schutz, zeige den Schlaflosen deine Sterne, fahre auf den Gepäckträgern der Kinder mit, schaffe den kleinen Leuten Raum in der alten Stadt und den Mieten treibe die Röte ins Gesicht. Die Geschäfte des Unrechts nenne beim Namen. Und in den Satten wecke die Sehnsucht. Durch uns.“

Ein Berliner Stadt-Segen? Wir alle in der Stadt wären dankbar!

Unser Vater, lass uns mit deinem Segen die Woche gut zu Ende bringen! Quelle: www.fb.com/citykirchezug . oder :Internet: CITYKIRCHEZUG (Ausschnitte)

Abendsegen | Freitag, 10. Februar

Es ist Freitagabend und Jüdinnen und Juden feiern den Schabbat – von Freitagabend bis Samstagabend, sagen wir als Christen salopp, ist Pause. Was in Zeiten der Corona- Pandemie von allen verlangt war, ist im Judentum immer schon heiliges Ritual: Zeit, die anders ist. Nicht reisen, nicht einkaufen. Zu Hause bleiben. Nähe nur mit den Nächsten erleben. Innehalten. Abschalten. Zur Ruhe kommen. Alles Geschäftige unterbrechen.
Verbundenheiten erneuern. Und das über Jahrhunderte hinweg, in guten und schweren Zeiten. Das biblische Lied für den Schabbat steht im 92. Psalm und heißt:
„Das ist ein köstlich Ding, Gott zu danken und zu lobsingen deinen Namen, des Morgens deine Gnade und des Nachts deine Treue zu verkündigen auf der zehnsaitigen Laute, zum Klang der Leier.“ Gnade und Treue, Zuwendung und Verlässlichkeit in den Tagen und Nächten werden besungen und gerühmt, sie sind ein köstlich, ein Wort, das zugleich an Wein und wohlschmeckende Gerichte denken lässt, unerlässlich für den Schabbatabend; niemand soll ihn allein verbringen! Am Schabbatabend, in dieser Stunde, wird das Vergangene, das an jedem Tag der Woche Erlebte, das Erarbeitete wie das Erlittene, aufgehoben in Musik, Gebet, Gespräch und im gemeinsamen Essen.
Gott, unser Schöpfer, dein Segen durchziehe unser aller Leben, er bewahre unsere Tage und Nächte.