So lautet ein Bekenntnis zum Denken des großen weltweisen Immanuel Kant. Sein 300. Geburtstag begehen wir in dieser Woche: „Die Freiheit zu denken: das einzige Kleinod, das uns bei allen bürgerlichen Lasten noch übrig bleibt und wodurch allein gegen alle Übel noch Rat geschaffen werden kann.“ Seltsam, dieses Bekenntnis zum Denken klingt wie ein Glaubensbekenntnis – mit scharfen Ausschließlichkeiten: „Die Freiheit zu denken: das einzige Kleinod, das uns bei allen bürgerlichen Lasten noch übrig bleibt, und wodurch allein gegen alle Übel noch Rat geschaffen werden kann.“ Vereinnahme ich Kant religiös, wenn ich da höre: Einzig, allein, gegen alle, noch… ist das nicht bekennende Rede? Bei Martin Luther hieß das: Allein der Glaube, allein die Gnade, allein Christus, allein die Schrift! Und bei Kant heißt es: Allein das Denken!
Das ist zwar im Stil eines Glaubensbekenntnisses intoniert, aber vom Glauben hat Kant, so fürchte ich, wenig verstanden, er lässt sich an keiner Stelle wirklich auf ihn ein. Glauben ist eher so eine Art „Meinen, Für-wahr-halten“, keine Vernunftleistung, eher ein „Religionswahn“, der der Vernunft mit voranschreitender Zeit weichen muss. Bei Kant kein Wort von Luther.
So wage ich mit Zittern und Zagen den Satz: Wo Kant mit dem Bekenntnis zum Denken, ausschließlich zum Selber-Denken, zur Vernunft, hinwill, da sind biblisch Glaubende schon. Das kann man mit dem Berliner Geistlichen Wolf Krötke gewiss nur „mit Zittern und Zagen“ sagen.Doch blicken Glaubende auf den biblischen Jesus und seinen Einsatz für eine versöhnte Menschlichkeit, so mag das, was die Christenheit damit gemacht hat, zwar immer wieder zum Heulen sein, doch das Augenmaß des Glaubens ist durch Jesus Christus gegeben.
„Gottes Wort im Kant-Jahr“ – das darf kein religiöser Schnörkel sein, den wir an ein Datum hängen. Da wird im Gespräch mit Kant das Augenmaß gefunden für das Menschenmögliche und damit für eine „menschendienliche Vernunft geschärft“(1).
Unsere Welt wimmelt von religiösen Angeboten und aufdringlichen Bekenntnissen. Was dem Glauben an Vernunft verloren geht, wird oft durch Aberglauben ersetzt. Vor all dieser Unvernunft bewahre uns – Kant!
(1)Wolf Krötke, Gottes Wort „im Kant-Jahr“, Zeitschrift für Theologie und Kirche, 2004, 458-464