Das Wort – Donnerstag, 23. August

Es war ein denkwürdiges Schauspiel Ende Juni in Gotha: Da wurde um 12.00 mittags eine 110 Meter lange Tischreihe vom Rathaus aus durch die Innenstadt bis zum Hospital im Brühl gedeckt. Jeder war zum Mittagessen eingeladen. Es war eine von katholischen und evangelischen Gemeinden vorbereitete Erinnerung an Elisabeth von Thüringen, die vor 800 Jahren ihr Leben in den Dienst der Barmherzigkeit gegenüber den Armen gestellt hatte. Der Ehemann Elisabeths hatte der Stadt Gotha ein Armenhospital geschenkt – heute können wir hier an einem langen Tisch gemeinsam Mahl halten und für eine Mittagsstunde die Hoffnung auf ein Leben ohne Hunger festhalten. Und weil die Hoffnung Feinde hat, nämlich die Niederlagen, die uns das Leben zufügt, brauchen wir Zeugen für diese Hoffnung. Wir erinnern uns der Menschen, in deren Leben nicht Verrat, Niederlage und Schwäche über die Hoffnung triumphiert haben.

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Das Wort – Mittwoch, 22. August

Einer Heiligen, Elisabeth von Thüringen, wollen wir diese Morgengedanken widmen. Was sind „Heilige“? Es sind Menschen, deren Würde in ihrer Unbescheidenheit liegt. Sie sagen nicht nur, was man sagen kann; sie erhoffen sich nur, was man hoffen kann – sie greifen aus bis weit in das Land des Gelingens. Sie sind Menschen mit einer großen Sehnsucht. Bei den Heiligen der Bibel überschlagen sich die Bildern der Unmöglichkeiten: die Steppe wird blühen, die Tauben werden hören, die Stummen sprechen und so fort…

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Das Wort – Dienstag, 21. August

Ein Rabbi, ein jüdischer Bibelgelehrter, wurde gefragt: „Stell dir vor, das Haus brennt und du könntest nur eine einzige Sache retten. Was würdest du retten?“. Er antwortete: „Das Feuer“.

Das Feuer? Nicht die Ausweise, Unterlagen, Versicherungspolicen? „Das Feuer“? Eine zündende Antwort, und nach weiterem Nachfragen, ich bin mir sicher, hätte er gesagt: „Es gibt in der Bibel beim Propheten Jeremia die Frage Gottes: Ist nicht so mein Wort: wie ein Feuer und wie ein Hammer, der Felsen zerschlägt?“

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Das Wort – Montag, 20. August

Heilige sind zwielichtige Gestalten. Am besten, man fragt zuerst, wer sie heilig gesprochen hat. Ich sag’s sehr vorsichtig: Von den Gläubigen in El Salvador, nicht aber von Rom, wurde Oscar Romero heilig gesprochen. Er hat als Bischof die Armen verteidigte und sich gegen die Mörderbande der Militärjunta gewandt. Bei einem Gottesdienst wurde er ermordet.. Die Erinnerung an ihn, an Dietrich Bonhoeffer, an Martin Luther King sind wie Briefe aus der Ferne, die einem helfen, die Gegenwart zu erkennen und zu sehen, was sie hat und was ihr fehlt. Das sind Heilige: Briefe aus der Ferne, und wer sie lesen kann, braucht nicht mit seinem Mut und mit seiner Hoffnung anzufangen – das ist eine große Lebenserleichterung: wir sind nicht Ersten. Zahlreiche Krankenhäuser und christliche Gemeinden tragen den Namen der Heiligen Elisabeth. Wir feiern ein „Elisabethjahr“, weil sie im Jahre 1207 in Ungarn geboren wurde. Ihr Leben ist ein solcher Brief aus der Ferne, den wir nach 800 Jahren aufmerksam lesen, wird sie doch die „Nationalheilige“ der Deutschen genannt – ein kräftiger Kontrast zum „deutschen Michel“, zwar vom Erzengel Michael hergeleitet, aber im Gegensatz zu ihm mit einer Schlafmütze verbunden.

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DAS WORT – 05. Mai 2007

Anfang Juni findet in Köln der 31. Deutsche Evangelische Kirchentag statt unter der Überschrift „Lebendig und kräftig und schärfer…“ Diese Worte aus der Bibel lauten im Zusammenhang: „Ja, das Wort Gottes ist lebendig, kräftig und schärfer als jedes zweischneidige Schwert, es dringt durch Seele und Geist und geht durch Mark und Bein“. Ich hoffe, dass auch viele Menschenworte auf diesem Kirchentag lebendig und kräftig und scharf sind. Von einer Stimme auf vielen Kirchentagen konnte man das immer sagen: Es war Dorothee Sölle, die mit ihren Bibelauslegungen der Schärfe des Wortes Gottes Gehör verschaffen wollte. Sie kämpfte mit der Kraft des Wortes Gottes gegen den gottlosen Satz: „Ich kann ja sowieso nichts machen!“.

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DAS WORT – 04. Mai 2007

Wollen wir etwas sehr stark ausdrücken, sagen wir: Es schreit zum Himmel! Die Ungerechtigkeit auf der Erde schreit zum Himmel: Während die einen danach trachten, dass sie dem Überfluss immer mehr abgewinnen, sehen die anderen, dass die Welt sie vergessen hat und ihre Kinder an Hunger sterben. Die Welt unterwirft sich, ohne weiter zu fragen, den Gesetzen des Geldes. Wir können erkennen, wohin Geld strömt und wo der Absturz in die Verelendung geschieht. Schlimm ist die behauptete Unvermeidlichkeit des Ganzen: Eine Grundeinsicht setzt sich durch: „Man kann dagegen nichts tun, das ist zwangsläufig so.“

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DAS WORT – 03. Mai 2007

Einer, der im Winter durch deutsche Landschaften gefahren ist, sagt: Es gibt inzwischen Dörfer, da gehen morgens keine Lichter mehr an. Die Arbeitslosigkeit lässt ganze Landschaften veröden. Und während er das beobachtet, beschließt ein Konzern, der einen Milliarden-Gewinn eingefahren hat, bis zu 10 000 Arbeitsplätze “abzubauen“, wie er sagt. Er baut Arbeitsplätze ab, um den Wert des Unternehmens zu steigern. Je mehr Arbeitsplätze vernichtet werden, desto kräftiger sind die Kursgewinne. Es macht mir Mühe, dieses zynische Spiel zu begreifen. „Das gehört zu den selbstverständlichen Spielregeln. Das ist (..) unvermeidlich“, wird mir erwidert.

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DAS WORT – 02. Mai 2007

„Sein ganzes Leben war Arbeit“ – nicht selten liest man diesen und ähnliche Sätze in Todesanzeigen oder hört sie bei Traueransprachen. Das ist ganz positiv gemeint. Nach biblischem Verständnis von Arbeit und Ruhe hätte man dagegen etwas sehr Trauriges gesagt: Ein Mensch, dessen ganzes Leben Arbeit war, hat nur ein halbes Leben geführt, denn die Ruhe schließt die Arbeit ab, Arbeit ohne Ruhe ist nach der Bibel unvollständig. So ist nach der biblischen Schöpfungsgeschichte nicht der Mensch die Krone der Schöpfung, sondern die Ruhe am siebenten Tag.

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DAS WORT – 30. April 2007

Ein Freund erzählte mir folgende Begebenheit: „Vor wenigen Jahren erhielt ich eine Einladung, vor einem Schulkollegium ein Seminar zu halten, das Thema durfte ich selbst wählen. Der Termin lag nahe beim 1. Mai, so wählte ich das Thema „Arbeit in der Bibel“, also „Die Welt der Arbeit in der Welt der Bibel“, das passe zum „Tag der Arbeit“. Es gab freundliche Reaktionen – das sei gerade richtig. Am Morgen des Treffens wurde ich erwartungsvoll begrüßt, alle freuten sich auf das Seminar zum Thema: „Arbeit mit der Bibel“. Ein…Versprecher? Nein, im Programm stand „Arbeit mit der Bibel“, „Bibelarbeit“ eben, Werte in der Bibel entdecken und für heute entfalten…“, so weit seine Geschichte.

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DAS WORT – 4. Februar 2007

Seid stark und euer Herz sei mutig – alle, die ihr euch auf Gott verlasst
Psalm 31,25

Er war erst sechzig, als es ihn erwischte: Schlaganfall, rechtsseitige Lähmung, Sprachverlust. In der Rehabilitation tat man alles – mit wenig Erfolg. Gehen war unmöglich, sprechen konnte er bloß ein paar schwer verständliche Worte, die rechte Hand begann sich zu verbiegen – der Eintritt ins Pflegeheim war unumgänglich.
Da gab es einen Trotz in ihm, eine Trotzenergie. Er hatte genaue Vorstellungen von dem, was er brauchte: Unbedingt einen motorisierten Rollstuhl, um selbständig ausfahren zu können.
„Ist das nicht zu gefährlich?“, fragte die Pflegedienstleiterin.
„Was er im Kopf hat, setzt er auch durch“, antwortete seine Frau, aus Erfahrung.
So war es – er gab nicht nach, bis das Gerät vor ihm stand. Er ließ sich hineinsetzen und begann im Haus und im Garten herum zu kurven. Bald fuhr er auch in den Ort. Und – baute prompt einen Unfall, stieß mit einem Auto zusammen. Das bekam ein paar Kratzer am Lack und er ein paar Schrammen im Gesicht und an den Armen.
„Wie kann man einen Menschen in diesem Zustand allein auf die Straße lassen!“, brummte der Polizist, der ihn ziemlich erstaunt zurückbrachte.
„Wir können ihn ja nicht einsperren!“, sagte die Pflegedienstleiterin.
„Wie ich ihn kenne, wird er bald wieder ausfahren“, seufzte seine Frau.
Mit Verbänden an Kopf und Armen blickte er aus dem Bett zu ihr empor und lachte und nickte.

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