Worte für den Tag | Worte auf den Weg | Donnerstag, 20. 4. 2006

„Von der Auferstehung Christi her kann ein neuer reinigender Wind in die gegenwärtige Welt wehen“, das schrieb der evangelische Theologe Dietrich Bonhoeffer aus dem Gefängnis seinem Freund zum Osterfest 1944. Er sprach von der „Vergötzung des Todes“ in seiner Zeit, von „gleichgültiger Lebensverachtung“ und der Sucht, „alles zu erraffen und alles wegzuwerfen“. Je deutlicher die nationalsozialistische Herrschaft uns in den Blick kommt, desto genauer sehen wir die Spur der Vernichtung, die dieses „tausendjährige Reich“ in nur 12 Jahren gelegt hat, Jahren, in denen „das Leben nichts galt“, während die Propaganda „das Leben“ mit Lichtzauber und Mutterkreuz in den germanischen Himmel hob.

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Worte für den Tag | Worte auf den Weg | Mittwoch 19. April 2006

„Der Auferstehungsglaube ist nicht die Lösung des Todesproblems“ – eine hellsichtige Formulierung des Theologen Dietrich Bonhoeffer, die er während seiner Haft notierte. Es ist nicht das Todesproblem, das uns gefangen nimmt, sondern ein Netz von vielerlei schwer fassbaren Todeserfahrungen, die auch nach diesem Auferstehungsfest Ostern uns begleiten. Es sind Abschiede, die uns tief treffen, Abschiede von geliebten Menschen, von vertrauten Orten, von gern geleisteter Arbeit. Abschied zu nehmen von dem, was wir lieben, ist nie leicht. Diese Erfahrungen wirken wie schlecht verheilte Verletzungen, sie schmerzen , sie werfen lange Schatten auf jeden Tag unseres Lebens. Die Bibel hat dafür das Wort „Todesschatten“. Das ist nicht nur Resignation, es ist manchmal, als ob die Flamme der Liebe allmählich erlischt. Fachleute nennen diese Erfahrung Depression, für die Betroffenen aber ist es schwer, einen Namen dafür zu finden.

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Worte für den Tag | Worte auf den Weg | Dienstag 18.4. 2006

Mitten in Paris steht ein großes Haus. Es ist die öffentliche Informationsbibliothek der Stadt. Man benötigt weder Ausweis noch Eintrittskarte, um Einlass in die menschenfreundlichste, abwechslungs- reichste, freieste Bibliothek der Welt zu erhalten. Auf die Besucher – am Tag sind es im Durchschnitt 6300 – warten mehr als 350 000 Bücher, 2500 Zeitschriften und 150 Tageszeitungen aus der ganzen Welt. Gut gelaunt verspricht die Bibliothek, hier fände man nicht „alles über etwas bestimmtes“, sondern „etwas über alles“. Eine wunderbare, riesige, freiheitliche – Arche! Arche ist in der Bibel jener große Kasten, jenes schwimmende blockhausartige Wohnfloß, in das Noah mit seiner Familie und Vertretern aller Lebewesen sich rettete, als die Wasser der vernichtenden Sintflut zu steigen begannen.

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Das Wort RBB 88,8 30. Oktober 2005

Wir rechnen damit, dass der Mensch durch das Vertrauen auf Jesus, den Messias, gerecht gemacht wird, ohne ein Gesetz, das Werke verlangt.
Brief an die Römer, 3, 28

Heute und morgen wird in den Gottesdiensten der evangelischen Kirchen Deutschlands der Reformation gedacht, also der Wiederentdeckung des Evangeliums, ohne das nach dem Urteil Martin Luthers die Welt voller Tod und Finsternis wäre. Das Evangelium bringt Licht in eine vom Tod überdeutlich gezeichnete Welt. Und das ist ein lebendig machendes Licht, ein erhellendes Licht, ein wärmendes Licht. Zu diesem Licht gehört die Wiederentdeckung von der Rechtfertigung des Sünders aus Glauben allein.

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Zum Schulbeginn, Sonnabend, 13. August 2005

Wort zum Tage – Worte auf den Weg / RBB 8. August – 13. August 2005

Ein Leitwort der kommenden Wochen des Wahlkampfes wird heißen: Gerechtigkeit! Zu Recht: die Menschen wollen wissen, was die Gerechtigkeit kostet, welche Gestalt Barmherzigkeit oder Solidarität annehmen müssen, damit wir eine menschliche Gesellschaft bleiben. Es mag wahr sein, was ein kluger Beobachter zum möglichen Scheitern der Regierung sagte: Sie verfüge über eine „dedizierte Unmusikalität in Sinnfragen“. Gerechtigkeit – es gibt die soziale, die politische, die ökonomische Gerechtigkeit, sie haben alle mit dem Sinn realen Lebens zu tun. Und doch fehlt etwas, was im folgenden Wort der Bibel aufstrahlt: „Ein Gerechter ist wie das Licht des Morgens, wenn die Sonne aufgeht am Morgen ohne Wolken, wenn vom Glanz nach dem Regen das Gras aus der Erde wächst“.

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Zum Schulbeginn, Freitag, 12. August 2005

Wort zum Tage – Worte auf den Weg / RBB 8. August – 13. August 2005

„We are all humans“, „Wir sind alle Menschen“, so weinte die Frau, am Boden kauernd. Vor wem sie diese Worte hervorstieß, zeigte die Kamera in den Fernsehnachrichten nicht. War sie Kurdin oder Schiitin, ich weiß es nicht mehr, es spielt auch keine Rolle, denn wir sind alle „humans“
Wir sind alle Menschen. Wirklich? Oder sind die einen es mehr und die anderen weniger? Wo tut es sehr weh, wenn von Toten und Verletzten die Rede ist? Wo tut es ein bisschen weniger weh? Bei getöteten Kindern weitaus mehr als bei erschossenen Soldaten? Bei fünfzig Ermordeten in London mehr als bei Hundert in einer irakischen Stadt?

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Zum Schulbeginn, Donnerstag 11. August 2005

Wort zum Tage – Worte auf den Weg / RBB 8. August – 13. August 2005

„…wenn dein Kind dich morgen fragt“, hieß das Thema des Kirchentages in Hannover. Die erstaunlichste Entdeckung war das Wort aus dem 8. Psalm: „ Aus dem Munde von Kindern und Säuglingen hast du eine Macht gegründet gegen alle, die dich bedrängen, auf dass du Feindschaft und Rache aufhören lässt.“ Haben denn Kinder und Säuglinge Macht? Schon die alten Übersetzer haben das nicht mehr verstanden und den Text geändert. Vom Lob Gottes im Mund von Kindern ist nun die Rede, das ist auch ein schöner Gedanke. Aber bleiben wir beim biblischen Text und fragen noch einmal: Haben Kinder und Säuglinge Macht? Hätten nicht Männer, sondern Frauen den hebräischen Psalm übersetzt und ihr Säugling hätte geschrieen oder gewimmert, sie hätten sich unterbrechen lassen. Diese Unterbrechung wäre schon die Antwort gewesen! Der unbedingte Anspruch eines Kleinkindes, das nicht aufzuschiebende Schreien eines Säuglings – das ist Macht! Junge Eltern wissen das: Die Laute der Kleinen, die ohne Schutz und Fürsorge nicht weiterleben können, ihr Schreien ist Teil der höchsten Macht. Nicht nur das: Gott hat mit den Kinderstimmen eine Festung für sich geschaffen, um selbst Schutz zu erfahren. Das ist wunderbar: Wieder erkennen wir das Herz der Bibel: den Widerspruch zu all der niederwalzenden Gewalt, die die Menschen anbeten: Gott verbindet sich mit dem Schwachen, um bei uns zu leben.

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Zum Schulbeginn, Mittwoch 10. August 2005

Wort zum Tage – Worte auf den Weg / RBB 8. August – 13. August 2005

Vor 2 Jahren starb Dorothee Sölle, eine schriftgelehrte Predigerin mit der unnachgiebigen Leidenschaft einer biblischen Prophetin. Ihr Blick galt den übersehenen Menschen in der weiten Ökumene, sie nahm aber auch die Besuche ihrer Enkeltochter wahr. Dorothee Sölle erzählt: „Dieses kleine Mädchen, dreieinhalb Jahre alt, holte alle meine Tassen aus dem Schrank und baute sich – unter meinen besorgten Augen – ein Cafe auf. Es schenkte imaginären Kaffee an imaginäre Gäste aus. Nach einer Weile sagte ihre Mutter: ‚Jetzt musst du aufräumen, wir wollen zu Abend essen’. Das Kind antwortete – nicht aggressiv, eher nachdenklich – mit dem Satz: ‚Mama, du, du denkst immer nur in echt’. Ein wunderbarer Satz!“, fährt Dorothee Sölle fort, „mir fiel dazu ein, dass ich seit etwa fünfzig Jahren wenig ‚in echt’ gedacht habe, sondern vielleicht in Träumen und Hoffen, dass es außer ‚ in echt’ noch etwas anderes geben muss. Bedeutet Erwachsenwerden denn immer nur dümmer, immer blinder, immer weniger achtsam zu werden?

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Zum Schulbeginn, Dienstag 9. August 2005

Wort zum Tage – Worte auf den Weg / RBB 8. August – 13. August 2005

Das neue Schuljahr hat begonnen und wieder stehen die Schulen unter dem Schatten dieses irrwitzigen Strebertums, das vom Stichwort PISA ausgelöst wurde, oder sollen wir sagen, die Schulen „ge-pisa-ckt“ werden, als stünde das Heil der Nation auf dem Spiel, als wäre das Ende der Arbeitslosigkeit davon zu erhoffen. Ein ehrgeizig Zappelnder sprach von der „Champions League“ der Bildung, in der die Bayern spielen.
„Bildung“ ist ein 200 Jahre altes Wort, Bildung möchte mitarbeiten an der Entfaltung des Menschen zu einem ebenso tüchtigen wie glücklichen Menschen. Diese Balance von tüchtig und glücklich ist völlig dahin. Die Rede ist von mehr Elite, mehr Wachstum, mehr Ertrag. Am wichtigsten sind die Gymnasiasten, dann die Grundschüler, dann die Kleinen im Kindergarten. Diese alleinige Ausrichtung an prüf- und verwertbaren Kenntnissen ist so fürchterlich wie das Karrierewort der neuesten Debatte, die „standards“, die es zu erreichen gilt.

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Zum Schulbeginn, Montag 8. August 2005

Wort zum Tage – Worte auf den Weg / RBB 8. August – 13. August 2005

Erster Schultag – ein ersehnter, gefürchteter, ein aufregender Tag ist gekommen! Die Großen Ferien sind zu Ende, der erste Schultag fängt an! Für die kleinen Schulanfänger ein ganz wichtiger Einschnitt im Leben. Sie werden viel lernen, nicht zuletzt, wie man in Gemeinschaften zurechtkommt. Das wird nicht schmerzfrei zugehen. Für mache ältere Schülerinnen und Schüler beginnt das letzte Schuljahr, die letzten Semester – bald wird eine Zeit hinter ihnen liegen, in der sie zu einer Klassengemeinschaft gehörten, in der sie Freunde gefunden haben, in der sie von engagierten verständnisvollen Lehrkräften viel gelernt haben, aber sich auch von manchen unter Druck gesetzt fühlten. Warum muss ich zur Schule gehen? Wer kennt nicht den Stoßseufzer aus Schüler- und Lehrermund? Die Schule gehört irgendwie zum Leben wie Zahnarztbesuche und Regenwetter, wir würden gern darauf verzichten, aber sie ist doch eine ganz großartige menschliche Erfindung.

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